Generell fahre ich aus verschiedensten Gründen lieber Tichus als GTs. Habe beide Strategien getestet und kann nicht sagen, was erfolgreicher war, da ich keine x hundert Spiele als "GTler" gemacht habe. Ich persönlich fühle mich aber deutlich besser mit kompromisslosem Spiel auf Tichus und sage lieber selten GTs an. Ich weiß in 7 von 10 Fällen, in denen ich eins mache, nach dem Austeilen der ersten acht Karten, dass ich ansagen werde. Aber eben kein GT. Fehlende Flexibilität ist oftmals ein großer Nachteil. Es liegt eben auch viel an einem selber. Ich bin kein Zocker, was man als GTler schon mehr sein muss. Weil ich aber eben auch einfach um meine Stärke weiß. Ich bin im Mittel der Spiele auf keine Zockerei angewiesen, weil ich mit breiter Brust behaupte, unter gleichen Vorzeichen gegen jeden auch spielerisch Lösungen zu finden. GTler werten sich damit in meinen Augen ab, weil sie oftmals einfach unverhältnismäßig risikobehaftet spielen, was für mich ein amateurhaftes Vorgehen ist. Die ausgeglichenen Spieler, die sich winden und wenden können und immer ein Gespür für die anderen, sowie den Überblick über den Tisch, haben, davor habe ich Respekt.
Im Grunde genommen ist meine Philosophie, dass man ein Spiel kontrollieren sollte und über bedachte, clevere, geduldige, flexible und (im richtigen Moment) mutige Entscheidungen den Gegner bezwingt. Wenn Letzteres mal ein GT bedeutet, dann ist das klasse. Gehört dazu, aber sollte eben aufgrund des Risikos überschaubar bleiben. Ansonsten sprechen wir nur von Glück oder Pech. Und Glück oder Pech siehst du in keiner Sportart an der Spitze. Der fremdbestimmte Part schon (die Latte treffen, generelles Kartenglück, Ausrutschen, "dass der Gegner blöderweise ein passendes Bild hat, das sehr selten ist" usw.), aber das eigen-bestimmte Pech braucht man nicht herauszufordern.
Klar, ich kann auch als Außendienstler, der in Konkurrenz zu seinen Arbeitskollegen steht und auf seinen Führerschein angewiesen ist, samstags nach der Kneipe besoffen nach Hause fahren. Wenn es 100 mal gut geht, habe ich meinem Kollegen bewiesen, dass ich geschickter bin. Mehr Knete am Ende des Monats, geil. Werde ich aber angehalten, ist das dann Pech?! Ja, aber mein selbstbestimmtes Dummen-Pech. Hätte ich das Taxi genommen, hätte ich meinen Lappen behalten und meinen Konkurrenten in der Firma demnächst mit Leistung ausgestochen. Ich wäre befördert worden. Jetzt werde ich gefeuert und er kriegt die Beförderung.
Nach oben kommst du immer durch eine ausgeglichene Spielweise, die unkalkulierbares Risiko minimiert (hier angehalten zu werden), und dafür zwar natürlich auch den Anteil "unkalkulierbares Glück" "verschenkt" (hier immer besoffen Auto zu fahren und nie erwischt zu werden), aber sich auf das Berechenbarere besinnt. Der eine Kollege hat das berücksichtigt. Er hat gesagt, ich brauche den Lappen, sonst kann ich in der Firma erst gar nicht um die Beförderung kämpfen. Der andere war schon raus, bevor seine Qualitäten erst abschließend bewertet werden konnten.
Wenn man davon ausgeht, dass Glück und Pech zu gleichen Teilen vorkommen, dann hebt sich die Gleichung auf. Wenn ich meine Strategie hauptsächlich darauf aufbaue, dann bleibt nicht mehr viel übrig und ich bin am Ende ein durchschnittlicher Spieler, der seine Energie für den Zufall verschwendet hat. Wenn ich diese Faktoren aber bestmöglich ausklammere und mich auf das Berechenbarere und Beeinflussbarere, wie Karten zählen, Verhaltensweisen einordnen, Schupfdeutungen machen usw., konzentriere, dann kann ich Meter machen.
Ich muss einfach ein Gespür für die Gegner, meinen Mate und die Spieldynamik entwickeln und deshalb auch eben oftmals einfach erst beobachten. Wenn Spitzenmannschaften im Fußball gegeneinander antreten, dann läuft es auch so ab. Da wird normalerweise erstmal das Spiel kontrolliert. Keiner stürmt in min 1 nach dem Anpfiff zu 11. auf das gegnerische Tor zu. Dieses Abtasten, Überblick-Verschaffen, Kontrollieren, das alles geht mit diesen häufigen GTs, die rein nach vermeintlicher Wahrscheinlichkeit angesagt werden, nicht. Alleine schon, weil man permanent nur mit sich beschäftigt ist und die anderen einlädt, sich voll und ganz auf einen selber einzuschießen.
On the long run ist ein ausgeglichenes und flexibles Spiel einfach entspannter und erfolgreicher.
Wenn es ein dreckiges Spiel ist, dann probiert man halt am Ende über Punkte zu gewinnen. Es gibt diese Spiele, da sind die Karten halt so verteilt, dass es nicht anders geht. Man hat manchmal das Gefühl, dass ein Spieler dann die Geduld verliert und auf Teufel komm raus irgendetwas ansagen muss.
Wenn es ein gutes Spiel ist, erarbeite ich mir Tichus und Doppelsiege, verhindere gegnerische Doppelsiege, traue mir Gegentichus zu usw.
Habe ich keine guten Karten, probiere ich für den Mate zu spielen, ihm den Rücken frei zu halten und nehme eben die defensive Rolle an. Dann bin ich in diesem Spiel halt eben nicht der Stoßstürmer und Torschützenkönig, sondern der Staubsauger vor der Abwehr, der die Drecksarbeit macht.
Solche und andere Dinge entscheiden doch am Ende über die Qualität eines Spielers und nicht, ob er jetzt zufällig nach den ersten acht Karten noch weitere tolle bekommt und sein GT durchbringt oder nicht.
Ich mag diese Spieler nicht, die permanent GTs versuchen, nur weil sie einen Vogel auf der Hand sehen. Sicher geht das immer wieder gut. Man gewinnt auch dadurch mal ein Spiel, das man anders verloren hätte. Aber die Anzahl dadurch verlorener Spiele ist halt eben auch hoch.
Für mich ist es mehr das Vertrauen in die eigene Schwäche (ja Sprichwort wurde moduliert) immer gleich den großen Wurf erzocken zu wollen.
Zocken führt auf Dauer einfach zu nichts, da kannst du jeden Spielsüchtigen als Referenz heranziehen.